S. Krewinkel: Anlagestrategie – Alle(s) auf einmal oder lieber einmal alle(s)?
ETFs fließen immer mehr Mittel zu und in den USA gibt es sogar Fonds, die einfach in alle Neuemissionen investieren, um ja nicht die nächste Kursrakete zu verpassen. Bei der Analyse von Nebenwerten bleibt echte Expertise hingegen weiterhin gefragt.
(Foto: BankM AG; pixaby.com | FelixMittermeier)
Stimmt es eigentlich, dass die USA über die Bude vom Merz die halbe deutsche Wirtschaft gekauft hat?
Tatsächlich besitzen einige wenige, dafür große ETF-Anbieter eine große Anzahl deutscher Aktien. Und die größten Anbieter sind nun mal Blackrock, Vanguard und State Street aus den USA. Die haben naturgemäß entsprechend viele Stimmrechte auf den Hauptversammlungen. Du kannst jetzt vorschlagen oder verlangen deren Stimmrechte einzuschränken oder es einfach akzeptieren.
Wobei neben ETFs, auch ausländische Fonds deutsche Aktien und Stimmrechte in großer Anzahl halten.
Das sollte keinen Unterschied machen. Oder gibt es diesbezüglich einen zwischen ETF und Fonds?
Nein, beide haben die Stimmrechte ihrer Bestände. Der Unterschied liegt in der Anlagestrategie. Vereinfacht gesagt werden Indexwerte automatisch gemäß ihrer Gewichtung in ein ETF gekauft, um einen bestimmten Index abzubilden. Fonds dagegen werden in der Regel von einem Management aktiv mit dem Ziel verwaltet, eine Überrendite gegenüber einer vorgegebenen Benchmark zu erzielen.
Ich weiß zwar nicht was das genau heißt, aber ich bin sicher, dass dafür eine Managementgebühr anfällt.
Das Fondsmanagement versucht, dass das Portfolio mittels Anlagestrategie prozentual besser abschließt als der Index. Für diese Tätigkeit wird in der Tat eine Gebühr berechnet, die beim ETF nicht anfällt.
Also bin ich schon am Jahresanfang diese Gebühr unter. Holen Fondsmanager die denn auch wieder auf?
Nicht alle. Deswegen fließen ETFs in letzter Zeit auch mehr Geld zu als etablierten Fonds. Wobei deren Gesamtbestände aufgrund des jahrzehntelangen Bestehens noch deutlich höher sind. Aber auch hier gibt es Umschichtungen. Tatsächlich fällt es schwer, Vorteile für den Kauf eines Fonds gegenüber dem eines ETFs zu nennen, wenn es um große Indizes wie den DAX geht. Und genau deswegen geht neue Nachfrage immer häufiger in ETFs und wird auch von den Fondsanbietern über neu aufgelegte ETFs bedient.
Das sieht nach einem disruptiven Produkt aus, so wie das Smartphone das Mobiltelefon verdrängt hat.
Einige dieser Hersteller sind in Insolvenz gegangen oder übernommen worden. Andere bauen mittlerweile auch Smartphones, aber aufschließen zu den Pionieren konnten sie bislang nicht. Wobei ihre Expertise teilweise weiterhin auf anderen Gebieten wie beispielsweise Netzwerkausstattung liegt. So wie auch die Expertise von erfahrenen Fondsmanagern im Nebenwertebereich oder für Themenfonds verstärkt genutzt und beworben werden könnte. Für so etwas sehe zumindest ich das Produkt ETF als nicht ideal an.
Das ist eine Frage für die Reklameabteilungen in diesen Häusern. Ich traue Experten tatsächlich eher als mir selbst zu, ein Portfolio von aussichtsreichen Aktien professionell zusammenzustellen. Ziel sollte dann aber sein, dass der Wert des Korbs steigt und nicht mehr oder weniger stark um einen Index mäandert.
Genau, wenn sie das hinbekommen, dürfen sie ihre Managementgebühr auch einsacken. Ich befürchte nur, dass die anfangen zu zocken und in Meme-Aktien investieren, die der FOMO-Schwarm gerade entdeckt hat.
Gerade da sollte man nicht von Schwarmintelligenz sprechen. Sobald in Internetforen zu Flashmob-Käufen in anderen Werten aufgerufen wird, entpuppt sich der Hype schnell als Schneeballsystem.
Die Begründung für eine Anlage in diese oder jene Aktie muss per Gesetz ausführlich dokumentiert werden.
Na immerhin. Wobei es in den Staaten Fonds gibt, deren einziger Zweck es ist, in jedes Unternehmen, das an die Börse geht, zu investieren, um bloß nicht die neue Microsoft- oder Facebook-Aktie zu verpassen. Der Fondsmanager soll so gut vernetzt sein, dass er zu allen Präsentationen eingeladen wird und anschließend eine gute Zuteilung auf seine Zeichnung erhält. Egal, was er von der Aktie hält, seine Meinung zählt nicht.
Da ist die Wall Street weiter. Geldtöpfe mit solchen Disclaimern haben wir hier nicht, wahrscheinlich in ganz Europa nicht. Viele Fonds und ETFs orientieren sich an Indizes oder Themen, einige wenige Portfolios sind flexibler. Und Neuemissionen werden bloß gezeichnet, wenn sie gemäß Vorgaben in die Strategie passen.
Und wenn ein Sandalenhersteller seinen Börsengang in New York durchführt, können viele nicht dabei sein.
Das war ein Kinnhaken für den Finanzplatz. Da sind jetzt eher mal die Strategieabteilungen gefragt.
Unbedingt. Das sollte ein Eye-Opener gewesen sein, da hilft kein Marketing mehr. Noch eine neue Runde?
„It ain‘t about how hard you can hit. It‘s about how hard you can get hit and keep moving forward.“
Neulich war es Michael Douglas in „The China Syndrome“
… und wer weiß, wie es hier weitergeht?