Skip to main content
06.
September 2024

S. Krewinkel: Yellowstone – Oder was ist eigentlich diese Nachbörse?

Auch in seinem neuen Stammtisch hat sich Stefan Krewinkel wieder einen Aspekt am Kapitalmarkt herausgesucht, der nicht immer einfach zu verstehen ist. Wie funktioniert eigentlich diese Nachbörse? Und muss die skrupellose Hedgefonds-Managerin Beth in der US-Serie Yellowstone nachbörslich tatsächlich weniger Stücke verkaufen, um den Kurs zu manipulieren?

(Foto: BankM AG; pixaby.com | FelixMittermeier)

Letztens habe ich in einer Folge von ‚Yellowstone’ etwas nicht verstanden. Der Wall Street-Fuzzie bat Beth, ihre Shortattacken doch bitte nachbörslich auszuführen, damit er nach Börsenschluss zum Fliegenfischen gehen könne. Die Börse endet hier um 17:30h und an der Wall Street um 16:00h. Was ist diese Nachbörse?

Seit einigen Jahren gibt es multifunktionale Handelssysteme, auf denen Anleger hier wie dort außerhalb der Kernhandelszeiten handeln können. Klingt schlau und heißt nur, dass Anleger über das Internet auf diesen Plattformen handeln. Wobei diese Preise keine offiziellen Kurse sind und somit auch nicht auf dem Laufband im Fernsehen angezeigt werden. Beth hatte für ihren Fonds Aktien dieses Private Equity Managers verkauft und der hatte Zeit und Geld investiert, um den Kursverfall zu stoppen. Macht sie das nachbörslich, also nach 14:00h in Montana, stört ihn das laut Drehbuch wohl nicht. Obwohl ihm die Kinnlade in den Grill fallen dürfte, wenn er seine gefangenen Forellen brutzelt und den nachbörslichen Preis seiner Aktien im Internet sieht.

Hollywood hin oder her, solch tiefere Levels sollten in der Realität dann Basis für den Eröffnungskurs sein.

Zumindest für die Vorbörse, aber hier dann auch für die Eröffnungsauktion an der offiziellen Computerbörse XETRA um 9:00h. Dort platzieren institutionelle Anleger, auch Berufshandel genannt, ihre Orders zwischen neun und halb sechs, während Privatanleger tatsächlich eine größere Zeitspanne zum Handeln haben.

Klingt nach Fortschritt. Vor der Arbeit kannst Du Goldminenaktien kaufen und nach der Arbeit Apple-Aktien verkaufen. Aber dass der Hobbyhandel mehr Auswahl als die Profis hat, gibt’s nicht. Wo ist der Nachteil?

Wegen der professionellen Orders ist auf XETRA bedeutend mehr Umsatz, der Handel ist dort liquider. Das bedeutet, dass eine große Order durch die größere Anzahl anderer Orders den Kurs nicht so stark bewegt.

Klingt logisch. Also muss Beth nachbörslich weniger Stücke verkaufen, um den Kurs zu manipulieren?

Zumindest den Preis, wobei sich das ja normalerweise auch auf den Kurs auswirkt. Und wer nicht angeln geht, kann zu solchen Preisbewegungen dann Live-Kommentare in Chatforen lesen. Nach einer negativen Unternehmensmeldung um 20:30h konnte man eines Abends kurz darauffolgenden Beitrag lesen: „Habe gerade noch 300 Stück bei minus 4% verkaufen können. Das gibt morgen ein Blutbad.“ Tatsächlich notierte der Preis um 22:00h schon bei -11%, weil weitere Akteure diese Nachricht genauso interpretiert haben und sie auch noch einige wenige Stücke zu tieferen Preisen verkauft haben. Am nächsten Morgen pendelte der Preis vorbörslich und zur XETRA-Eröffnung um dieses Niveau, um danach weitere 3% zu fallen. Schwer zu sagen, wo der Kurs ohne diese Verkäufe von diesen wenigen Stücken in der illiquiden Nachbörse sonst um 09:00h eröffnet hätte. Und ob der Prophet seine 300 Stück abends noch mit 7% Gewinn zurückgekauft hat, hat er nicht kundgetan.

Wirklich schwer zu sagen, aber nun ja. Wenn alle durchs selbe Fenster wollen, tuts weh. Wobei es sich hier ja tatsächlich um mehrere handelt, da der vor- und nachbörsliche Handel auf mehreren Handelsplattformen stattfindet. Wie wäre es, jedes Wertpapier an nur einem Handelsplatz zu handeln, um die gesamte Liquidität in einem Orderbuch zu bündeln? Die Betreiber der Plattformen müssten sich da nur irgendwie einigen.

Einigen wollen. Im Moment stehen die Handelsplattformen im Wettbewerb untereinander, wobei sie sich an die geltenden Regeln halten. Die Frage ist eher, ob die Anleger eine schützende Hand brauchen.

Sie sind zumindest alt genug, zu entscheiden, ob sie ihre Orders in den Kernhandelszeiten platzieren oder ob sie die zusätzlichen Zeiten nutzen möchten. Zudem gibt es die Möglichkeit, mit Limits zu ordern.

Alternativ wird die Zeit zurückgedreht und die Möglichkeit des längeren Handelns wieder abgeschafft. Alle Orders werden, egal, ob sie auf diese oder jene Meldung hin oder aus sonst welchem Grund erteilt wurden, gebündelt und zum Eröffnungskurs ausgeführt. Und keiner hat die Möglichkeit auf schnelle 7% Gewinn.

Das wäre in der Tat ein Rückschritt. Wer mag, kann seine Abende gerne am Bildschirm verbringen. Andere haben da eventuell besseres zu tun und gehen vielleicht sogar tatsächlich angeln.

Bestimmt sogar einige institutionelle Anleger, die in der Regel nur zu offiziellen Kursen handeln dürfen. Es gibt aber Händler an Derivatetischen, die mitunter vor- und nachbörslich aktiv sind und durch diese kleinen Fenster wollen oder gar müssen. Deren Motivation, außerbörslich zu handeln, ist nicht einfach zu erklären.

Einfach kann jeder. Ich bestelle jetzt eine neue Runde Bier und dann versucht Ihr, es mir zu erklären.

 

„I am the opposite of progress.“

         Neulich war es Charlie Sheen in „Wall Street“

… und wer ist das Gegenteil von Fortschritt?

Kontakt

BankM AG
Baseler Straße 10
60329 Frankfurt

Tel. +49 69 7191838-0
Fax +49 69 7191838-50
info@bankm.de

BankM Momentum

Gerne informieren wir Sie regelmäßig mit unserer Publikation "Momentum" kostenlos per E-Mail zu relevanten Kapitalmarktthemen, Neuemissionen und dem aktuellen Geschehen rund um Börse und Unternehmen.